- Frankenreich als Hegemonialmacht des Abendlandes: Karolingerreich
- Frankenreich als Hegemonialmacht des Abendlandes: KarolingerreichDer Aufstieg der KarolingerDie Teilung des Frankenreichs nach Dagoberts I. Tod war nur möglich, weil der Adel, dem künftig eine immer gewichtigere Rolle im Machtgefüge zufiel, die Erbregelung akzeptierte und mit trug. In Austrasien wurde dabei die Regierung für den noch minderjährigen Sigibert III. von dem Hausmeier Pippin dem Älteren und dem Bischof Kunibert von Köln geführt. Als Pippin jedoch 639/640 starb, entbrannte eine inneraustrasische Rivalität um die Nachfolge im Hausmeieramt, das Pippins Sohn Grimoald erst nach einigen Anstrengungen 643 erringen konnte. Von nun an aber hielt er es fest in seinen Händen und griff schließlich sogar nach der Krone. Nicht für sich wollte er sie erwerben, wohl aber für seinen Sohn, der den beziehungsreichen Merowingernamen Childebert erhielt und den er von dem kinderlosen Sigibert III. hatte adoptieren lassen. Als dem König schließlich doch noch ein Sohn geboren wurde, Dagobert II., stand der Erfolg des mächtigen Hausmeiers zwar infrage, aber nach dem Tode Sigiberts III. schickte Grimoald den vierjährigen Dagobert einfach nach Irland ins Exil und setzte den eigenen Sohn auf den Thron. Der von einem König adoptierte Sprössling eines Hausmeiers fand tatsächlich Anerkennung. Wohl erst durch Childeberts frühen Tod, der spätestens Anfang 662 eintrat, misslang Grimoalds Griff nach der Krone; der Hausmeier selbst wurde nun in Paris gefangen gesetzt, gefoltert und getötet. Damit war der pippinidische Mannesstamm ausgerottet, während die Nachkommen von Grimoalds Schwester Begga und ihrem Gemahl Ansegisel, dem Sohn Arnulfs von Metz, den Sturz des Hausmeiers überstanden, künftig jedoch äußerste Vorsicht walten ließen bei dem Versuch, das Königtum zu erringen. Beggas und Ansegisels Sohn Pippin (dem Mittleren), der sich in zähem Ringen eine Vormachtstellung in Austrasien erwerben konnte, verdankten die Nachfahren Arnulfs von Metz und Pippins des Älteren dann den Wiederaufstieg. — Nach Grimoalds Sturz jedoch wurde zunächst der jüngste Sohn des neustroburgundischen Herrschers Chlodwig II., Childerich II., unter Missachtung des Rechtes, das der im irischen Exil weilende Dagobert II. als Nachkomme Sigiberts III. geltend machen konnte, zum König Austrasiens erhoben.Im fränkischen Westreich hatte, als Chlodwig II. 657 starb, zwar sein noch minderjähriger ältester Sohn Chlothar III. die Nachfolge angetreten, die Regierungsgewalt lag jedoch bei der Königinmutter Balthilde und dem mit ihrer Unterstützung um 658 erhobenen Hausmeier Ebroin, dessen straffe Machtpolitik wiederholt Widerstände hervorrief. Trotzdem blieben Neustrien und Burgund unter einem König und einem Hausmeier vereint.Als Chlothar III. 673 starb, schürzte sich der Knoten zu einem wüsten Drama von Krieg und Totschlag, an dessen Ende zwar das Frankenreich wieder durch ein Einheitskönigtum repräsentiert wurde, die Merowinger aber endgültig zu bedeutungslosen Herrschern herabgesunken waren und die eigentliche Macht bei den Hausmeiern lag. Theuderich III., der letzte Sohn Chlodwigs II., saß nun auf dem neustroburgundischen Thron, während Ebroin die Macht in Händen hielt und sie 680 bei Laon auch gegen die Austrasier unter Führung Pippins des Mittleren zu verteidigen wusste. Zum Zuge kam Pippin erst im zweiten Anlauf nach der Ermordung Ebroins und dem 687 über die Neustrier erfochtenen Sieg von Tertry.Dem rückschauenden Betrachter erscheint dieses Ereignis wie der entscheidende Markstein im unaufhaltsamen Aufstieg der Karolinger. Doch war deren Erfolg keinesfalls zwangsläufig und ungefährdet. Nicht nur hatten sie mehrere Anläufe gebraucht, um die Macht zu erringen, und waren dabei sogar zweimal völlig gescheitert, sondern sie standen auch an der Spitze eines Adelsverbandes, dessen Interessen sie ebenso berücksichtigen mussten wie diejenigen der neustroburgundischen Großen, die es nach 687 zu gewinnen galt. Aus den Schicksalen Grimoalds und Ebroins die richtige Lehre ziehend, strebte Pippin der Mittlere einen Ausgleich der Adelsinteressen über die Grenzen der ehemaligen Teilreiche hinweg an und beanspruchte für sich selbst weniger eine verfassungsrechtlich klar umschriebene Position als vielmehr umfassenden Einfluss, der weitgehend informell blieb und vorwiegend auf seiner durch glänzende Waffentaten gesteigerten Autorität beruhte. Um 700 zeichnet sich deutlich ein Konzept familiärer Gemeinschaftsherrschaft ab, in das Pippins Söhne Grimoald als Hausmeier am neustrischen Königshof und Drogo als Herzog von der Champagne und wohl auch von Burgund in einer abgestuften Form einbezogen waren. In Auflösung geriet dieses Familienkartell der Macht allerdings nach dem Tode Pippins (714), dessen Söhne aus der Ehe mit Plektrudis schon vor ihm gestorben waren. Der Versuch Plektrudis', das gesamtherrschaftliche System zusammen mit ihren Enkeln, von denen einer zum Hausmeier ausersehen wurde, fortzuführen, scheiterte am Widerstand der Neustrier und an Karl Martell (dem »Hammer«), der Pippins Verbindung mit Chalpaida entstammte und von Plektrudis zunächst kaltgestellt worden war. Ihm gelang es innerhalb eines halben Jahrzehnts, sich eine Machtbasis zu verschaffen, die familiären Widersacher auszuschalten und die neustrische Opposition niederzuwerfen; 717 wurde er Hausmeier von Austrasien, 720 von Neustrien. Gegenüber den sich seit den heftigen Kämpfen um das zentrale Hausmeieramt von der Merowingerherrschaft lösenden Randgebieten Aquitanien, Provence, Churrätien, Alamannien und Bayern vermochte er, die Hoheit des Reiches wieder zur Geltung zu bringen. Doch wird sein Name für alle Zeiten mit dem 732 zwischen Tours und Poitiers erfochtenen Sieg über die von der Iberischen Halbinsel anrückenden Muslime verknüpft bleiben, durch den zwar kein Eroberungskrieg, sondern lediglich ein wohl auch das reiche Martinskloster von Tours ins Visier nehmender Beutezug wie mit einem Hammerschlag beendet werden konnte, durch den aber immerhin auch die Gefahr islamischer Expeditionen in den gallischen Kernraum für alle Zeiten gebannt worden ist.Nachdem Theuderich IV. 737 gestorben war, regierte Karl bis zu seinem Tode im Jahre 741 ohne einen merowingischen König. Vor seinem Ableben teilte er, ein Monarch ohne Königstitel, die Herrschaft, die er — anders als sein Vater — zu Lebzeiten mit niemandem geteilt hatte, unter seine Söhne auf und folgte damit dem Vorbild der merowingischen Königsfamilie. Seine letzte Ruhe fand er, auch dies ein Ausdruck königlichen Selbstverständnisses, in dem Königskloster Saint-Denis.Die Kirchenreform unter den Söhnen Karl MartellsSeine Söhne Karlmann und Pippin der Jüngere teilten sich die Hausmeierwürde und das Reich — Pippin erhielt Neustrien mit Burgund und der Provence, der ältere Karlmann Austrasien mit Alamannien und Thüringen — und manövrierten dabei ihren Halbbruder Grifo aus, der Karls zweiter Ehe mit Swanahild aus dem bayerischen Geschlecht der Agilolfinger entstammte. Um ihre besonders vom aquitanischen und vom bayerischen Herzog infrage gestellte übergeordnete Gewalt als Hausmeier zu legitimieren, hoben sie 743 Childerich III., den letzten Merowingerkönig, auf den Thron. Bis 746 gelang es den karolingischen Brüdern schließlich, die Widersacher in Bayern, Alamannien und Aquitanien auszuschalten oder doch zumindest der Reichsgewalt stärker unterzuordnen.Mit Pippin dem Jüngeren und Karlmann kamen Herrscherpersönlichkeiten an die Macht, die selbst eine gewisse geistliche Erziehung erfahren hatten und die Reformbedürftigkeit der fränkischen Kirche deutlich empfanden. Ihre Vorfahren werden zwar kaum weniger religiös gewesen sein, aber sie handelten eindeutig nach politischen Kategorien. Karl Martell etwa hatte rigoros auf kirchliches Gut zurückgegriffen, um seine Anhänger auszustatten, zu belohnen und für die zahlreichen militärischen Aktionen auszurüsten; Bistümer dienten als Ausstattungsgut von Adelsfamilien, die mancherorts über diese kirchliche Zentralinstitution wie über einen Erbbesitz verfügten. Da Karl Martell aber auf die Mitwirkung dieses Adels angewiesen war, konnten die kirchlichen Erneuerungskräfte, die zu seiner Zeit wirksam waren, vor allem also die angelsächsische Mission und der Kreis um Bonifatius, von ihm nur so weit Unterstützung erwarten, wie dadurch der politische Grundkonsens innerhalb des den karolingischen Führungsanspruch akzeptierenden Adelsverbandes nicht gefährdet wurde.Die angelsächsischen Missionare betrieben — anders als die irischen Mönche, die schon vor ihnen den Gedanken der asketischen peregrinatio, der entsagungsvollen Heimatlosigkeit, aufgegriffen hatten und in die Fremde gegangen waren, um dort, gleichsam als Akt der Buße, das Christentum zu predigen — die Mission von Anfang an mit einer Planmäßigkeit, die eine besondere Bedeutung erlangte, als sich unter Bonifatius (672/673—754) das missionarische Wirken mit kirchenorganisatorischem und -reformerischem Tun verband. Musste dieser erfolgreiche Glaubensbote auch zunächst auf anders geartete kirchenpolitische Interessen des karolingischen Hausmeiers Rücksicht nehmen und zeitweise sogar ins bayerische Herzogtum der Agilolfinger ausweichen, wo er um 739 vier Bistümer (in Passau, wo er aber einen vom Papst geweihten Bischof akzeptieren musste, in Salzburg, Regensburg und Freising) gemäß den kanonischen Vorschriften einrichtete und damit zum Bistumsorganisator großen Stils wurde. Nach Karls Tod (741) aber änderten sich die politischen Rahmenbedingungen rasch, denn die Söhne des mächtigen Karolingers hatten wohl erkannt, wie sehr eine unter ihrem Schutz durchgeführte Reform der fränkischen Kirche einen moralischen Autoritätsgewinn bedeuten konnte, der eine Festigung, wenn nicht gar eine monarchische Erhöhung ihrer Herrschaft erwarten ließ.Kirchenreform im Frankenreich — das bedeutete vor der Mitte des 8. Jahrhunderts ganz allgemein die Reaktivierung des traditionellen Kirchenrechtes, vor allem die Erneuerung (mancherorts auch Einführung) der in Verfall geratenen Metropolitanverfassung und die Schärfung der geistlichen Disziplin. Konkret verband sich damit natürlich auch das Problem der entfremdeten Kirchengüter. Mit großem Elan wurden alle diese Fragen in Angriff genommen. Auf einer 742 oder 743 an unbekanntem Ort und nach vielen Jahrzehnten erloschener Synodaltätigkeit erstmals wieder tagenden austrasischen Kirchenversammlung (concilium Germanicum), die von Karlmann einberufen worden war und deren Beschlüsse der Hausmeier in einem eigenen Erlass (Kapitular) verkündete, wurde vor allem die Frage des Kirchengutes radikal gelöst: durch Rückerstattung an die geschädigten Kirchen. Obwohl die Reform Neustrien ebenfalls erfasste, ließ sich diese grundstürzende Entscheidung nicht durchsetzen. Auch die Söhne Karl Martells waren auf mächtige Anhänger angewiesen, deren Interessen besonders durch die Restitutionsbestimmung des concilium Germanicum empfindlich getroffen waren. Schon 744 kam es daher zu einer entscheidenden Abschwächung des Beschlusses, durch die zwar grundsätzlich eine Anerkennung des kirchlichen Eigentumsrechtes an dem entzogenen Besitz, nicht aber die Rückerstattung erfolgte. Diese sollte vielmehr nur vorgenommen werden, wenn die betroffene Kirche durch die Entfremdung in Existenzschwierigkeiten geriet; ansonsten verblieb den bisherigen Inhabern das kirchliche Gut als zinspflichtige Leihe auf Lebenszeit.Da sich auch die Erneuerung der Metropolitanverfassung nicht sofort verwirklichen ließ, geriet das schwungvoll begonnene Reformwerk ins Stocken, und Bonifatius verfiel der Resignation. Wenn er sich am Ende seines Lebens auch als ein im Wesentlichen Gescheiterter empfunden haben mochte, der nur noch mit Mühe die Missions- und Aufbauarbeit in den heidnisch-germanischen Gebieten sichern konnte, so entfalteten sich seine Reformansätze in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts doch weiter, jetzt allerdings unter fränkischer Führung. Auch die von Bonifatius geförderte Ausrichtung auf das Papsttum, die die fränkische Kirche zu einer romverbundenen Landeskirche werden ließ und der Autorität des Papstes trotz strikter Kirchenhoheit des weltlichen Herrschers einen über den reinen Lehrprimat hinausgehenden Einfluss eröffnete, sollte schon bald, noch zu Lebzeiten des Bonifatius, Früchte tragen.Pippins des Jüngeren Aufstieg zum KönigtumEinschneidende Änderungen brachte nämlich das Jahr 747: Karlmann, der besonders die kirchliche Reform zu seiner Sache gemacht hatte, entsagte der Herrschaft und zog sich zu geistlichem Leben zunächst nach Rom, dann ins Kloster Montecassino zurück. Seinen Sohn Drogo hatte er zuvor seinem Bruder Pippin anvertraut. Dieser dachte jedoch nicht mehr daran, die Herrschaft mit irgendjemandem zu teilen, und schob den Neffen beiseite. Auch Grifo, der 741 übergangen worden war und nun noch einmal auf den Plan trat, konnte dem Hausmeier nicht gefährlich werden. Seit 749 regierte Pippin ein nach außen und innen befriedetes Reich. Damit war der Weg zum Königtum politisch geebnet. Beschritten hat ihn der Karolinger mit aller Vorsicht, denn noch gab es einen König, der zwar keine Macht mehr besaß, dessen merowingische Abkunft aber seit Jahrhunderten als Voraussetzung für die Thronbesteigung galt. Vorstellungen eines an der Herrscherfamilie haftenden Königsheils sowie Erwägungen über den politischen Nutzen einer königlichen Schachfigur auf dem Spielbrett der Adelsfaktionen und -interessen hatten bisher zum Erhalt der merowingischen Monarchie beigetragen. Bonifatius und sein Reformbemühen jedoch brachten den Franken eine moralische und geistliche Autorität nahe, mit deren Hilfe Pippin das altehrwürdige Königsgeschlecht der Merowinger endgültig vom Throne stoßen konnte: das Papsttum.Im Jahre 750 sandte Pippin den Abt Fulrad von Saint-Denis zusammen mit dem Würzburger Bischof Burchard nach Rom und ließ dem Papst die Frage unterbreiten, ob es gut sei oder nicht, dass es Könige ohne königliche Gewalt im Frankenreich gebe. Papst Zacharias (741—752) gab darauf die berühmte Antwort: »Es sei besser, der wirkliche Inhaber der Gewalt heiße König als einer, der ohne Königsgewalt geblieben sei.« Dieser Bescheid, der von altchristlichem Gedankengut geprägt ist und auf der Vorstellung beruht, dass eine Sache mit dem ihr entsprechenden Namen bezeichnet werden soll (Nomen-Res-Theorie), »damit die gottgewollte Ordnung nicht gestört werde«, besitzt den Charakter eines Weistums, einer Rechtsweisung in einem Fall, den eine Landeskirche an den Papst zur Entscheidung herangetragen hat. In späteren Jahrhunderten wurde diese Entscheidung als Befehl oder gar als Einsetzung Pippins zum König verstanden; doch war dies eine in gewandelten Zeiten propagandistisch zu nutzende Fehldeutung, die den nun erhobenen Anspruch des Papstes, Könige ein- und absetzen zu dürfen, untermauern half. Bestimmend für Pippins Königtum war vielmehr seine Wahl und die Huldigung durch die Franken, die Ende 751 in Soissons vollzogen wurden. Childerich III. jedoch musste sich scheren lassen und mitsamt seinem Sohn ins Kloster gehen. Damit endete die bewegte Geschichte der Merowinger in klösterlicher Abgeschiedenheit und Ruhe.An die rechtserhebliche Wahl schloss sich 751 ein weiterer Akt an: die kirchliche Weihe. Die Salbung des Königs nach alttestamentlichem Vorbild war, obwohl schon bei den Westgoten Brauch, etwas Neues im Frankenreich und diente zur besonderen Legitimierung des neuen Königtums. Durch sie wurde der Herrscher aus der Schar der Laien herausgehoben und eigens begnadet zur Ausübung seines schweren Amtes. Der Weiheakt von 751 wirkte traditionsbildend. Mit ihm setzte eine Verkirchlichung der Thronerhebung ein, die die sakrale Aura des christlichen Königs zunehmend erstrahlen ließ, das Königtum langfristig aber auch verstärkt der moralischen Kontrolle geistlicher Instanzen unterwarf und an Vorstellungen der Tauglichkeit zum Herrscheramt (Idoneität) band.Das Königtum Pippins des JüngerenDer mithilfe des Papsttums vollzogene Aufstieg zum Königtum zog Pippin (als König Pippin I.) rasch in die Probleme Italiens hinein. Rom wurde 753, wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten, von den seit 568 in Italien siedelnden Langobarden bedroht; Papst Stephan II. (752—757) wandte sich deshalb um Hilfe an den Karolinger, der nun, anders als noch sein Vater Karl Martell, zur Unterstützung der römischen Kirche bereit war. Auf Einladung des Königs zog der Papst ins Frankenreich und wurde am 6. Januar 754 ehrenvoll in der Pfalz Ponthion empfangen. Am folgenden Tag schlossen Pippin und Stephan, König und Papst, einen förmlichen Bund. Der Karolinger sagte dem Bischof von Rom auch im Namen seiner Söhne Hilfe zu und bekräftigte dies mit einem Freundschaftseid.Schon bald zeigte das neue Bündnis seine Kraft. Der Langobardenkönig Aistulf hatte Pippins Bruder Karlmann, den einstigen Hausmeier, veranlasst, die kontemplative Ruhe des Klosters zu verlassen und über die Alpen nach Norden zu ziehen. Offenbar versprach er sich davon eine Schwächung des neuen Königtums. Doch verwies der Papst den in die Welt Zurückgekehrten, der im Übrigen noch im selben Jahr (754) starb, wieder ins Kloster, salbte Pippin, diesmal zusammen mit den Söhnen Karl und Karlmann, erneut und zeichnete die drei Karolinger mit dem römischen Rang- und Ehrentitel eines patricius Romanorum aus. Pippin dagegen setzte den langobardischen Feldzug gegen Widerstände im fränkischen Adel durch und versprach dem Papst die Rückgabe Mittelitaliens.Noch im gleichen Jahre 754 konnte Aistulf unterworfen werden. 756 aber wurde ein zweiter Feldzug nötig, da der Langobarde Rom erneut angriff. Nun erfolgte, eingedenk des Versprechens, tatsächlich die Rückgabe der vom Papst beanspruchten Gebiete, jedoch nicht im zugesagten Umfang. Mit dieser Pippinschen Schenkung wurde 754/756 der Grundstein für das patrimonium Petri, den späteren Kirchenstaat in Mittelitalien, gelegt. Ansprüche des byzantinischen Kaisers auf diese Regionen mit den Zentren Rom und Ravenna hatte der Karolinger zuvor abgewiesen, obwohl Italien, soweit es nicht langobardisch war, immer noch der Hoheit Byzanz' unterstand — einer Hoheit allerdings, die in Mittelitalien immer mehr verblasste.Pippin unterwarf das Langobardenreich nicht seiner Herrschaft; aber an seinem Lebensende bildete das Frankenreich ohnedies die unbestrittene Vormacht im Westen. Als der erste Karolingerkönig im September 768 in Saint-Denis starb und beigesetzt wurde, hinterließ er ein nach innen und außen gefestigtes Reich, hatte während seiner Regierungszeit doch auch die Integration der Randländer in den fränkischen Reichsverband Fortschritte gemacht. Aquitanien und Alamannien waren fest eingebunden; der bayerische Herzog Tassilo III. hatte immerhin die Hoheit des Reiches anerkannt und 757 dem König, der auch sein Onkel war, und dessen Söhnen, seinen Vettern, einen Treueid geleistet, der später wohl als Vasallitätseid umgedeutet worden ist. Das nach dem Ende des Westgotenreiches unter islamische Herrschaft geratene Septimanien konnte bis 759 erobert werden. Ungelöste Aufgaben waren zwar noch in Bayern, in Italien und Rom sowie vor allem gegenüber den Sachsen geblieben, aber insgesamt waren karolingisches Reich und Königtum 768 ungefährdet. Die Herrschaft konnte daher problemlos an die Königssöhne übergehen, unter die Pippin, indem er merowingischen Brauch wieder aufgriff, das Reich aufgeteilt hatte. Allerdings traten bald Spannungen unter den Brüdern auf, die Pippins Werk vielleicht gefährdet hätten, wenn Karlmann nicht schon 771 gestorben wäre. Karl nutzte die Chance, trieb Schwägerin und Neffen außer Landes und trat die Nachfolge des Bruders an. Drei Jahre nach Pippins Tod war das fränkische Großreich wieder vereint und das Fundament erneuert, auf dem Karl weiterbauen konnte.Prof. Dr. Franz-Reiner ErkensWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Kaisertum Karls des Großen: Symbol der Einheitkarolingische Renaissance: Erbe der KulturenFrankenreich im Zerfall: Reichsteilungen des 9. JahrhundertsGrundlegende Informationen finden Sie unter:Frankenreich von der Landnahme bis zum Großreich: MerowingerreichAngenendt, Arnold: Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400 bis 900. Stuttgart u. a. 21995.Fried, Johannes: Der Weg in die Geschichte. Die Ursprünge Deutschlands bis 1024. Berlin 1994.Karl Martell in seiner Zeit, herausgegeben von Jörg Jarnut u. a. Sigmaringen 1994.Schieffer, Rudolf: Die Karolinger. Stuttgart u. a. 1992.
Universal-Lexikon. 2012.